Texte & Interviews

„Zwei Wege sinds.
Sie führen keinen hin.
Doch manchmal, in Gedanken, lässt der eine dich weitergehn.
Es ist, als gingst du fehl“.

Rainer Maria Rilke

So beginnt Rilkes Gedicht „In einem fremden Park“, in dem er die tastenden Schritte des Flaneurs umkreist. Es ist ein abgezirkeltes Areal, in dem sich Natur und Zivilisation auf das Kunstvollste verschränken und imaginäre Räume eröffnen. Es ist jene Sphäre, wo die Gesetze des als ob gelten und das Organische und Konstruierte die Realität ebenso verrücken wie steigern.

Gudrun Petersdorff hat sich schon früh von der Welt der „Parke“, wie Rilke schrieb, faszinieren lassen. Ausgerechnet bei einer Spanienreise im Jahr 1988, ausgestattet mit einem für DDR-Verhältnisse fast unwirklich erscheinenden Reisevisum, kam es zur Initialzündung. Im Königlichen Garten zu Madrid skizzierte sie erstmals die künstlichen Paradiese und begann daraufhin, in unzähligen Bildern ihre Parklandschaften zu entwerfen. Vor allem die Renaissance- und Barockgärten mit ihren ausgeklügelten geometrischen Strukturen haben sie inspiriert. Dabei erarbeitete sie sich eigene Perspektiven, welche die Architekturen verschieben und verdichten. Zylinderförmige Zypressen markieren Räume, gestutzte Hecken bilden rechteckige Felder, gewaltige Buchsbaumkugeln werfen kreisrunde Schatten, Kuben aus Blattwerk bringen Torbögen oder Wände hervor.

Es sind leuchtende Gemälde wie aus einem fernen Paradies, die Farben versprühen Kraft und Energie, man spürt ein subtiles Changieren, wenn etwa dunkles und helles Grün auf violette Bergformationen trifft, die an tintenblaue oder orangefarbene Himmelsstreifen stoßen.

Die Arbeiten von Gudrun Petersdorff basieren auf Skizzen und Zeichnungen, die sie nicht nur in Deutschland angefertigt hat, sondern auch auf ihren Reisen nach Frankreich, Italien, Schweiz bis hin nach Israel, Vietnam und in die Karibik. Hier scheint oftmals das Fremde, Exotische auf: Boote durchpflügen das magische, von Bergen gesäumte Blau der Halong-Bucht, rosafarbene Seerosen sind in ein türkisenes Wasserbecken gleichsam hineinmontiert, kunstvolle geschichtete Steinformationen erheben sich in dunklem Violett (Garten in Hue).

Doch auch das Heimische wird verwandelt. Eine Wiese in Leipzig-Schönefeld erscheint als Abstraktion aus Strichen und Flecken, der Park von Niedersedlitz als mediterranes Refugium in winterlichem Licht (Bevor alles grünt) oder ein Windpark bei Bernburg als heitere Sommerlandschaft mit grellgelben Rapsfeldern und filigranen Rotoren. So arbeitet die Malerin aus nordeuropäischen Gefilden an ihrer Versüdlichung der Welt.

Mit der Aura eines imaginären Südens scheinen auch viele Stilleben von Gudrun Petersdorff aufgeladen zu sein. Seien es die Nahaufnahmen von hochhackigen Frauenschuhen, die auf Schaufenstersockeln ihr Eigenleben entfalten und auf ihre abwesenden Trägerinnen verweisen. Oder die Gemälde von Torten, welche in vielfältigen Mustern schwelgen, oder jene stilisierte Lachsröllchen und Sushihäppchen, die wie Skulpturen aussehen. Ob Mode, Essen oder Natur – die Arbeiten der Malerin sind von einer Sinnlichkeit geprägt, die ebenso verführerisch wie formal gebändigt erscheint.

Auch in ihre Stadtlandschaften folgen einer ästhetischen Ordnung, in der sich zuweilen selbst scharfe Kontraste zu einer eigenen Harmonie fügen. Sei es die verwinkelte Architektur einer marokkanischen Küstenstadt, wo sich Räumlichkeit in farbige Flächen auflöst, seien es brutalistische Bauten in Tel Aviv (Unfertiges Haus/ Israel oder Busbahnhof, Tel Aviv), die den Stadtraum dominieren oder das haushohe Kreuzfahrtsschiff, das im Hafen von Nizza vor Anker geht – die Kompositionen von Gudrun Petersdorff verwandeln die Zivilisation des 21. Jahrhunderts in ausbalancierte Szenerien. „Ich würde manchmal gerne ein hässliches Bild malen“, sagt die Künstlerin, „aber es gelingt mir nicht.“ So wird selbst das Motiv einer Vorstadttankstelle oder einer plumpen Betonbrücke, die einen trostlosen Jachthafen überspannt, zu einer Chiffre des Südens.

In der DNA von Gudrun Petersdorff gibt es offenbar ein mächtiges Schönheits-Gen, das sie an der Verzauberung der Wirklichkeit arbeiten läßt. Manchmal hart am Kitsch, aber selten nur wird die Grenze überschritten. Denn die Leerstellen in ihren Bildern, das Fragmentarische, das Reduzierte, das Flächige, das zuweilen Leere ist ihr Gegengift zur holistischen Idylle. Eine scheinbare Naivität, die einen doppelten Boden einzieht, der die Brüchigkeit dieser Konstruktionen erahnen läßt. Ein Sinn für Schönheit, der ein Vorschein sein mag auf eine mit sich selbst versöhnte Welt und der zugleich ein Ausdruck ist für eine Sehnsucht, die nicht zu stillen ist. Es ist jenes utopische Moment, das der Philosoph Ernst Bloch einst als etwas beschrieben hat, „das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat.“

„Two paths appear.
They open to no one.
But sometimes, as you face them, one allows you to proceed
Then you think you’ve lost your way.“

Rainer Maria Rilke

This is how Rilke begins his poem „In a Foreign Park“, revolving around the tentative steps of the flaneur. It is a measured-off area, where nature and civilization are interlaced with great artistry, opening up imaginary spaces. It is the sphere governed by the laws of „as if“, where the organic and the constructed displace reality as well as enhancing it. 

Gudrun Petersdorff was drawn to the fascination of the world of „parks“ described in Rilke’s writing at an early age. The initial impulse came to her during a trip to Spain in 1988, equipped with a travel visa which in itself seemed almost unreal under GDR conditions. She completed her first sketches of the artificial paradises in the Royal Botanical Garden in Madrid and, following on from this, began to design her own park landscapes in countless paintings. Finding renaissance and baroque gardens particularly inspiring, with their ingenious geometrical structures, she developed her own perspectives, rearranging and condensing the architecture. Cylindrical cypresses mark out spaces, clipped hedges form rectangular areas, large box-tree spheres throw perfectly circular shadows, and cubes of foliage create archways or walls.

They are luminescent paintings that seem to emanate from a distant paradise. The colours radiate strength and energy; there is a subtle sense of iridescence when dark and pale shades of green encounter violet mountain formations, colliding with bands of ink-blue or orange sky.

Gudrun Petersdorff’s works are based on sketches and drawings completed not only in Germany but on journeys to France, Italy, Switzerland, or further afield in Israel, Vietnam and the Caribbean. Themes often centre around the foreign, the exotic: boats plough their way through the magical blue of Ha Long Bay, flanked by mountains, pink water lilies appear almost to have been implanted in a pool in Turkey, elaborately layered stone formations rise up in tones of deep violet (Garden in Hue). 
But the home environment is also transformed. A meadow in Leipzig’s Schönefeld is depicted as an abstraction of strokes and spots, the park in Niedersedlitz becomes a Mediterranean refuge bathed in winter light (Before everything turns Green), a wind farm near Bernburg appears as a bright summer landscape with blinding yellow fields of rape and filigree rotors. This is how the painter from Northern European climes works on her southernisation of the world.

Many of Gudrun Petersdorff’s still lifes also seem loaded with the aura of an imaginary south. Close-ups of high-heeled shoes on raised showcase plinths appear to take on a life of their own, making reference to their absent owners. Then there are the paintings of cakes, wallowing in a multitude of patterns, or the stylised salmon rolls and sushi, which look like sculptures. Whether her subject is fashion, food or nature – the painter’s works are characterised by a sensuality that is seductive and yet formally restrained.

Her townscapes also follow an aesthetic order with a harmony of its own, which even the occasional sharp contrast obeys. The labyrinthine architecture of a Moroccan coastal town, where three-dimensionality dissolves into coloured surfaces, brutal constructions in Tel Aviv (Unfinished House, Israel or Bus Station, Tel Aviv), dominating the city space, or the enormous cruise ship anchoring in the port of Nice – Gudrun Petersdorff’s compositions transform 21st-century civilisation into balanced scenarios. „Sometimes I would like to paint an ugly picture“, says the artist, „but somehow it is impossible for me.“ Even the motif of a suburban petrol station or an ungainly concrete bridge spanning a cheerless marina become ciphers of the south.

Gudrun Petersdorff’s DNA seems to contain a powerful beauty gene that allows her to cast a spell over reality. It sometimes comes dangerously close to kitsch, but very rarely oversteps the mark. An antidote to the holistic idyll is provided by the blank spaces in her pictures, the element of fragmentation, reduction, two-dimensionality, occasionally even emptiness. An apparent naivety with a false bottom, pointing towards the fragility of these constructions. A sense of beauty that may be the premonition of a world that has made peace with itself, but also gives expression to a yearning that can never be satisfied. It is the moment of utopia once described by the philosopher Ernst Bloch as something that „shines into everyone’s childhood and where no one has yet been: home.“

Zeichnen, bei Gudrun Petersdorff ist es sinnlicher Zugriff auf Welt und gehört von Beginn an zu ihrem künstlerischen Tun. Die meisten Blätter entstehen vor Ort und sind an das Sichtbare gebunden, an das, was die Künstlerin interessiert und herausfordert. Narratives, assoziativ sich Vermischendes sind kaum zu finden. Das Geheimnis ihrer Kunst liegt in der besonderen Art auf die Welt zu sehen, und das Gesehene im Prozess der Zeichnens und Malens zu verwandeln, es in einer poetischen Weise zum Sprechen zu bringen.

So betrachtet, sind ihr malerisches und ihr zeichnerisches Œuvre nicht zu trennen. Dennoch bilden beide zwei selbständig nebeneinader existierende Bereiche, mit Verbindungen und Brücken zueinander hin und voneinander weg.

Im Vergleich zu den Malereien sind die Papierarbeiten intimer, manchmal rigeroser, manchmal vorsichtiger, auf alle Fälle sind sie unmittelbarer im Zugriff und entstehen in kürzerer Dauer, unter größerem Zeitdruck. Mit ihnen, auf ihnen wird gefunden und gesammelt, was dann, vereinfacht in der Form, aufgehoben in ungewöhnlichen Farbakkorden, zu der sehr eigenen Petersdorffschen Malerei wird. Als Möglichkeit sind die Bilder bereits den Zeichnungen eingeschrieben. Denn beim Zeichnen wird die Phantasie der Künstlerin angefacht, sich am Geschauten aufzuspannen, groß zu werden, wodurch die winzigen Verschiebungen gelingen, die Verrückungen und Verfremdungen, die das Gesehene auf der Fläche erst zur Kunst werden lassen. Artifizielle Blätter, die wie ein Netzwerk das ideelle und formale Fundament ihres Arbeitens bilden. Von dieser intimsten und direktesten Art künstlerischer Äußerung geht das gesamte Werk der Künstlerin aus und hierüber wird es ständig überprüft, sozusagen unter Kontrolle gehalten.

Dabei ist der sehende Zugriff Gudrun Petersdorffs sicher und schnörkellos, zugleich aufgeladen mit Empathie. Zeichnen wird zur Transformation, zur Übersetzung, Findung wie Selbsterkundung in einem. Damit steht sie in der Tradition ihres Lehrers Bernhard Heisig, dessen künstlerische Haltung in Auseinandersetzung mit Künstlern wie Max Beckmann und Oskar Kokoschka gereift ist. Quasi unsichtbar anwesend Paula Modersohn-Becker, die Surrealisten mit ihren Traumimitaten sowie Henri Matisse und Pablo Picasso, die bewunderten Zeichner. Anverwandelte Kunstgeschichte, Maßstab wie Herausforderung, dem eigenen künstlerischen Tun zu trauen, es in die eine, nur Gudrun Petersdorff mögliche Ausformung zu treiben, den eigenen Weg zu gehen.

In den unzähligen Blättern verschiedenster Papiere und Größen, beschrieben mit Kreiden, Kohle, Tuschen und Wasserfarben, kann man lesen wie in einem Tagebuch, kann den Erlebnissen der Künstlerin nachgehen, ihren Interessen folgen, ohne voyeristisch mit Intimitäten umstellt zu werden. Da ist immer eine Grenze, was sie zeichnet bleibt Ort der Verwandlung, wird neuer Raum. Die angestrebte Harmonie zwischen dem, was sie sieht und ihren inneren Vorstellungen ist weder sentimental noch verklärend, sie äußert sich eher in einem spröden Grundton, einer Art kühlen Distanz.

Die Motive sind alltäglich ohne zu Banalitäten zu verkommen. Ihr Werk bewegt sich in stetig sich weitenden thematischen Kreisen, die Zeichnungen gehören dazu, machen den Anfang.

Es sind die Straßen ihrer Stadt wie die anderer Städte, sind einzelne Häuser, Parkanlagen, sind Wasserläufe, Zirkusszenen. Es sind Ein- und Ausblicke auf Landschaften, Auseinandersetzungen mit der freien Natur, die der Fremde wie die der Nähe. Gudrun Petersdorff zeichnet Freunde und Bekannte, macht sie zu ihren Aktmodellen, versucht sich immer wieder an Porträts, an Selbstbildnissen.

Ihre Aktzeichnungen sind fast klassich zu nennen, ohne in den akademischen Normierungen von „richtig“ oder „falsch“ zu versanden. Sicher gesetzte Umrisslinien, wenige Schraffuren, lockere Strichlagen lassen die Figuren aus ihrer Anonymität treten, sie zu sozial konkreten Personen werden. In den Hintergründen vor allem der frühen Aktzeichnungen, stellt sich wie nebenher, über einen den Raum engenden Kachelofen, eine herumstehende Heizsonne oder ein sich quer stellendes Laufgitter, das Atmosphärische jener Jahre her, bindet die Dargestellten in ein kontretes Milieu, das zugleich das damalige Lebens- und Arbeitsumfeld der Künstlerin war. Nicht nur die Aktzeichnungen atmen ein solches Klima. Auch in den Stadtzeichnungen der 80er und beginnenden 90er Jahre ist es zu finden, wenn auch auf andere Weise. Hier äußert es sich in der Leere der gezeichneten Leipziger Straßen, in der kahlen Verlassenheit von Straßenzügen, die weder Menschen noch Autos zeigen. In trauriger Trübnis, die nicht selten in dunkeltonigen Farben glimmt, werden die stolzen Gründerzeithäuser zu verwunschenen Schlössern, wartend auf einen Erlöser. Angehaltene Zeit, bedrohliche Ruhe auch in der Plagwitzer Industriegegend. Wie nebenbei verorten sich diese Zeichnungen in einem historisch konkreten Zusammenhang, ohne an Poesie oder Privatheit zu verlieren.

Von ihren Reisen bringt die Künstlerin dichte Notate in Kreide, Gouachen satter Farben und mutwilliger Formungen, sowie schwarze Tuschzeichnungen fast abstrakter Distanz mit. Auch die meisten Blätter mit den Gartenanlagen aus Renaissance und Barock sind vor Ort entstanden und schon dabei zu den verwunschenen Gebilden geworden, die seit dem das Werk der Malerin in vielfältigen Variationen durchziehen. Labyrintähnliche Räume, in denen Brunnen und Skulpturen ein unergründliches Dasein führen, von skurrilen, heiter fliegenden Wolken überdacht. Sogar die dunkle Grüntonigkeit mit den sparsam gesetzten Akzenten in Altrosa ist in den Zeichnungen vorgeprägt.

Aufmerksam verfolgt Gudrun Petersdorff weiterhin über all die Jahre Konzertaufführungen sowie Zirkus- und Varieteveranstaltungen. In deren Nachbereitung entstehen große farbige Blätter, die die Grenzen zu den Malereien verwischen oder sich zu Collagen weiten können.

Ab und an Irritationen, die mutwillig das zeichnerische Werk durchziehen, Perspektiven wechseln lassen, die falsch scheinen, um richtig zu sein, oder den Raum in der Fläche verlieren, um als Raum sich den Augen zu öffnen.

For Gudrun Petersdorff, the act of drawing entails accessing external reality through the senses. From the very beginning this has been central to her work. Most of the sheets are drawn from life and are tied to the visible, to that which the artist considers interesting and challenging. Seldom does one find in her imagery a narrative or symbolic blend of associations. The secret of Petersdorff’s art lies in her particular way of perceiving the outside world, in her transforming what she sees through the process of drawing and painting, making it speak – poetically. Defined thus, Petersdorff’s paintings and drawings appear inseparable. Yet, they define two individual and parallel areas within her oeuvre, variously interrelated and disparate.

In contrast to the paintings, the works on paper seem more intimate, occasionally more rigorous or cautious: in any case they reveal a more unmitigated gesture and are executed in a shorter time period, under greater time pressure. They act as a means of finding and collecting subject matter, which then – in a simplified form and retrieved in unusual colour harmonies – merge in Petersdorff’s idiosyncratic paintings. These are already potentially contained within the drawings. For, drawing kindles the artist’s imagination, inspiring her to charge what she sees with tension, to grow: minor shifts, alterations and distortions succeed in turning what she sees into art within the two-dimensional surface. Resembling a mesh of references, the drawings – as substitutes of reality – account for her oeuvre’s conceptual and compositional base. Her oeuvre has its origin in the drawings – the most intimate and direct manner of artistic expression. The drawings serve to monitor and control her work.

Gudrun Petersdorff’s work is marked by confidence and clarity of line, whilst being emotional and empathetic at the same time. Drawing becomes a means of transformation, transposition, identification and self-discovery. In this sense, Petersdorff continues within the tradition of her teacher, Bernhard Heisig, whose maturity as an artist was inspired by his study of painters such as Max Beckmann and Oskar Kokoschka. Paula Modersohn-Becker, the Surrealists with their dreamlike imagery, as well as the admired draughtsmen, Henri Matisse and Pablo Picasso, are also present, albeit as almost imperceptible inspirations.

By appropriating art history both as a template as well as a challenge, while trusting her own artistic endeavour, Gudrun Petersdorff forges her own authentic course as an artist. In countless works of varying sizes executed in pastel, charcoal, ink and watercolour on different kinds of paper, the observer may trace the artist’s experiences and interests as in a diary – yet without being forced into the position of a voyeur, besieged by intimacies. There survives a sense of exclusion: Petersdorff’s drawings remain the place of transformation, whilst also offering a new spatial construct. The harmony to which she aspires – between what she sees and what she feels –is neither sentimental nor transfigured; her work is much more aloof and unwieldy, characterised by a certain cool distance.

Significantly, her subject matter is everyday, but not banal. Petersdorff’s oeuvre seems to evolve in constantly growing thematic circles, the drawings being an integral part, if not indeed the prime source of this overall movement. There are the streets in her hometown, and streets in other places, houses, parks, rivers and circus scenes. There are views of landscapes and nature – in faraway places and closer to home. Gudrun Petersdorff draws portraits of her friends and acquaintances, nudes, and repeatedly tries her hand at self-portraits.

Her nude drawings appear almost classical, without petering out in standard academic issues as to ‚right‘ or ‚wrong.‘ The clear outlines, sparse crosshatching and airy lines transfer the depicted figures from their state of anonymity to becoming socially tangible individuals. Especially in the early nudes the incidental detail in the background – the room confined by a masonry heater, a parabolic heater or a playpen jutting diagonally into the picture – conjures the atmosphere of those years and ties the depicted persons into a palpable milieu, that was the artist’s social and working environment at the time.

Such an atmosphere is not only prevalent in the nude drawings. It may also be found in the cityscapes from the 1980s and early 90s, albeit somewhat differently. Here it is manifest in the barren desolation of the Leipzig streets, lacking cars or people. Beneath the grim sullenness often aglow in muted colours, resplendent Wilhelminian houses resemble enchanted castles, awaiting their saviour. Time seems frozen; a menacing sense of peace embraces the industrial area in Plagwitz. Quite casually, these drawings refer to a – historically – very real context, without losing their poetry or privacy.

The artist brings back from her travels intricate pastel and crayon drawings, gouaches of brilliant colour and raw, provocative power, as well as black ink drawings marked by almost abstract reticence. Many of the sheets showing Renaissance and Baroque gardens were created in the places they depict: their dreamlike quality is to be found throughout the painter’s work. Labyrinthine spaces, punctuated by mysterious fountains and sculptures beneath a canopy of bizarre, drifting clouds. The sombre, dark green colour scheme interspersed with mottles of pink also derives from the preliminary drawings.

Over the years, Gudrun Petersdorff attentively pursues her love of music, attending concerts as well as going to the circus and variety theatre. This inspires large, colourful works that are thematically related to her paintings and collages. An irritating multilayered viewpoint is a signature constant throughout her work: space seems to shift, as if wrong perspective creates spatial congruence, spatial depth is flattened out to reconfigure within the viewer’s mind – as space.

Gudrun Petersdorff achieves all this without enslaving herself to a constraining style, allowing her works to issue naturally from her hand. Her drawings are never boring or conceived of as a necessary evil on the way to some greater ideal; neither are they marked by laborious crosshatching nor rendered to the ends of calculated effect. Petersdorff’s art is governed by a sense of curiosity and tension, by vital energy, passion and the almost childlike urge to marvel at the ways of the world. Her diligence and amicable, life-affirming approach enable her to come to grips with (her) daily life. This allows her to touch the world with the senses, predominantly defining the singular quality of her drawings.

Texte & Interviews

Eugen El: Gudrun Petersdorff, Sie interessieren sich sowohl für die Stadt als auch für die Landschaft. Was ist Ihnen lieber, Stadt oder Land?

Gudrun Petersdorff: Ich sehe mich als einen Stadtmenschen. In meiner Arbeit profitiere ich aber von den Eindrücken, die ich direkt vor Ort sammle. Sie fließen in meine Zeichnungen ein. Landschaften sind für mich auch eine Inspirationsquelle, die ich in meinen Gemälden weiterverarbeite.

Ist Leipzig für Sie eine Art Refugium der figürlichen Zeichnung? Wie konnte sie dort jenseits des Akademismus und des Konzeptualismus überleben?

Durch die Hochschule für Grafik und Buchkunst hat Leipzig eine lange Tradition in der Künstlerausbildung. Hier kriegt man die Grundlagen im Zeichnen nach der Natur vermittelt. Es ist eine gute Basis für die weitere künstlerische Arbeit. Denn beim Zeichnen offenbart sich die Fähigkeit des Künstlers. Auch die gegenständliche Malerei ist in Leipzig seit Langem verwurzelt. Man sieht, dass hier gute Qualität entsteht, weil das Können da ist. An einigen Kunsthochschulen wird diese Ausbildung nicht solcherart gepflegt.

Entstehen Ihre Zeichnungen und Aquarelle komplett vor Ort? Oder bearbeiten Sie diese im Atelier nach?

Alles entsteht draußen, vor Ort. Wenn mich das Motiv weiter interessiert, dann arbeite ich im Atelier in einem größeren Format weiter. Die Zeichnungen und Aquarelle nutze ich in diesem Fall als Vorarbeiten für Gemälde und Druckgrafiken. Für eine Zeichnung vor Ort brauche ich ungefähr zwei Stunden. Manchmal entstehen aber auch flüchtige Skizzen.

Wie suchen Sie sich die Motive aus? Spontan oder schauen Sie sich genau nach geeigneten Orten um?

Während meines Aufenthalts in Israel 2009 bin ich erst einmal lange unterwegs gewesen auf der Suche nach passenden Motiven und Themen. Es gibt aber auch Momente, wo man etwas sieht und es sofort festhalten möchte. Dafür habe ich immer ein Skizzenbuch dabei. Übrigens arbeite ich kaum nach Fotos.

Woher kommt Ihr Interesse für Brücken?

Brücken interessieren mich vor allem als grafisches Motiv, als Bauwerk mit einer bestimmten Struktur. Dass ich in Leipzig Brücken zeichne, ist schon seit einiger Zeit ein Thema von mir. Viele dieser Brücken sind sehr alt, und wer weiß, wie lange es sie noch gibt. Auch die städtische Umgebung ist für mich interessant.

Die Stadt mit ihren industriellen Anlagen war ein beliebtes Motiv für Künstler der Neuen Sachlichkeit. Haben Sie eine Verbindung zu dieser Epoche?

Es gibt spannende Bilder, die inspirierend sein können. Zum Beispiel bewundere ich Max Beckmanns Frankfurter Landschaften. Da gibt es dann Querverbindungen. Ich finde es gut, welche Stimmungen Beckmann erzeugen kann. Doch ist er nicht der Einzige, der mich interessiert. Auch Matisse, Hockney und Ernst Ludwig Kirchner sind für mich wichtig. Es gibt viele Künstler, deren Qualität mich überzeugt, auch wenn sie nicht in meinem Metier arbeiten. Aber, man muss nicht immer über Vorbilder reden!

In Ihren Zeichnungen sieht man nur selten Menschen. Welche Gründe hat das?

Für mich wird es dann oft zu erzählerisch, das mag ich nicht so sehr. Doch manchmal ist es wichtig, dass eine Figur oder mehrere im Bild präsent sind. Das bezieht sich aber mehr auf die Landschaftszeichnungen, ansonsten finde ich die Beschäftigung mit der Figur sehr spannend.

Ergänzen sich Ihre Malerei und die Zeichnung? Nutzen Sie die Zeichnung, um etwas anderes auszudrücken als in der Malerei?

In der Malerei geht es mir mehr um die Zuordnung von Farben und Flächen. Auch habe ich da mehr Zeit. Eine Leinwand kann man mehrfach übermalen. In der Zeichnung und im Aquarell gibt es hingegen einen Punkt, wo es nicht mehr weitergeht. Außerdem sind in der Malerei ganz andere Formate möglich. Das macht einiges aus.

Spielt die Mobilität und die Schnelligkeit der Zeichnung eine Rolle?

Die Zeichnung ist meistens spontaner, unmittelbarer. Sie hält den ersten Eindruck fest, was auf meine Malerei nicht unbedingt zutrifft.

2009 haben Sie einige Zeit in Herzliya, Israel, gelebt. Wie war Ihr Eindruck? War Israel ein guter Ort für Ihre Kunst?

Die Stadt Leipzig hat eine Partnerschaft mit Herzliya, in deren Rahmen ich fünf Wochen dort verbracht habe. In dieser Zeit sind viele Arbeiten entstanden. Ich hatte gute Arbeitsmöglichkeiten, aber leider keine Ausstellungsgelegenheit. Vor allem hatte ich viel Zeit, mich dort umzuschauen.

Welche Reisen und Projekte haben Sie in der nächsten Zeit vor?

Dieses Jahr habe ich intensiv an Druckgrafiken, vor allem an Holzschnitten gearbeitet. In der nächsten Zeit habe ich vor, an die Atlantikküste Frankreichs zu fahren, in die Gegend von Bordeaux. Außerdem möchte ich mit Kollegen nach Sizilien reisen.